Fairer Handel

Zu Gast bei Muskatnussbauer Mahinda

In ihren Gewürzgärten kultivieren sri-lankische Kleinbauern Muskatnussbäume. In deren Früchten befinden sich gleich zwei Gewürze: Muskatnuss und Muskatblüte! Beide Gewürze haben ein sehr intensives Aroma. Wohl dosiert sind sie ein Heilmittel. Bei übermäßigem Konsum hingegen rufen sie Rauschzustände mit unvorhersehbaren Nebenwirkungen hervor.

Dulanjalee Rupasinghe kicherte und schaute uns verwundert an, als wir ihr erzählten, dass es in Deutschland keine Muskatnussbäume gibt und wir überhaupt nicht wissen, wie Muskatnüsse produziert werden. Nun gut, in ihrem Heimatland Sri Lanka weiß das jeder! Dulanjalee ist eine junge Agrarwissenschaftlerin. Sie arbeitet bei der Fairtrade-Kooperative SOFA und hat letzten August gemeinsam mit uns auf Sri Lanka SOFA-Gewürzbauern besucht. Sie war vor allem fürs Übersetzen zuständig. Sri-lankische Kleinbauern sprechen nämlich kein Englisch und wir kein Singhalesisch.

Gewürzbauern klettern ungesichert auf Muskatnussbäume

Nachdem Dulanjalee Gewürzbauer Mahinda Karunarathne erzählt hatte, dass wir bei ihm zu Besuch sind, um die Muskatnussproduktion kennenzulernen, kletterte er flugs auf einen Muskatnussbaum. Zu unserem Erstaunen und für ihn selbstverständlich, machte er das ungesichert! Muskatnussbäume werden zehn bis 15 Meter hoch. Von April bis September hängen an ihnen aprikosengroße, ockergelbe Muskatfrüchte, die aufspringen, sobald sie reif sind. Die Bauern pflücken die reifen Früchte von den Bäumen, wobei das Kostbare der Früchte nicht das Fruchtfleisch ist, sondern ihre Samen nebst Samenmänteln. „Ich habe in meinem Garten acht Muskatnussbäume, von denen jeder im Jahr etwa 1000 Früchte liefert. Das Tolle ist, dass jede Frucht zwei Gewürze enthält, nämlich Muskatnuss und Muskatblüte“, klärte uns Mahinda begeistert auf.

Muskatnüsse sind keine Nüsse und Muskatblüten keine Blüten

Um an die Gewürze zu gelangen, muss Mahinda das säuerlich-derbe Fruchtfleisch entfernen. Zurück bleiben ein dunkelbrauner Samen, die sogenannte Muskatnuss, die von einem leuchtend-roten Samenmantel umgeben ist, der sogenannten Muskatblüte. Vorsichtig werden nun Muskatnuss und Muskatblüte getrennt und separat voneinander weiterverarbeitet. „Die Muskatblüten trocknen wir auf unseren Höfen. Wenn sie orangefarben und hornartig fest sind, verkaufen wir sie an SOFA. Früher haben wir auch die Muskatnüsse selbst getrocknet. Es gab aber immer wieder Schwierigkeiten mit der Qualität, weshalb jetzt die Trocknung der Muskatnüsse bei Bio Foods unter kontrollierten Bedingungen erfolgt“, dozierte unser Gastgeber.

Gewürze für den Weltmarkt werden vor allem von Kleinbauern produziert

SOFA und Bio Foods wurden in den 1990er Jahren von Dr. Sarath Ranaweera gegründet. Der Agrarexperte nahm bei seinen Fahrten übers sri-lankische Land wahr, dass die Kleinbauern seiner Heimat immer mehr verarmen. Zwar werden Gewürze für den Weltmarkt in erster Linie von kleinen Produzenten kultiviert, der weltweite Gewürzhandel liegt aber in den Händen weniger Konzerne. Diese bezahlen den Kleinbauern so geringe Preise, dass mit dem Anbau von Gewürzen ein menschenwürdiges Leben kaum möglich ist. Um die Lebenssituation kleiner Produzenten zu verbessern und eine nachhaltige Landwirtschaft auf Sri Lanka voranzubringen, hat Sarath 1993 die Verarbeitungs- und Exportfirma Bio Foods sowie 1997 den Kleinbauern-Zusammenschluss SOFA ins Leben gerufen. Neben Gewürzen bringen SOFA und Bio Foods auch Tee und Kokosmilch auf den globalen Markt, wobei alle Produkte Fairtrade- und bio-zertifiziert sind.

Auf Sri Lanka beträgt der Mindestlohn 2,30 Euro pro Tag

Wir hatten die Gelegenheit, in Pannampitiya eine Gewürz-Verarbeitungsanlage von Bio Foods zu besuchen. Hier werden die frisch geernteten Muskatnüsse der SOFA-Kleinbauern bei Sonnenschein im Freien und bei Regen maschinell getrocknet. Gerade bei Muskatnüssen ist eine zügige Trocknung sehr wichtig, damit sich keine Aflatoxine, das heißt Schimmelpilzgifte, bilden. Wenn die Muskatnüsse beim Schütteln klappern, sind sie trocken und werden mithilfe eines Apparates aufgebrochen. Nun pulen Frauen an riesigen Tischen die Muskatnüsse aus den Schalen heraus, prüfen ihre Qualität und sterilisieren sie in einer Spezialanlage mit Wasserdampf. Je nach Kundenwunsch verpackt Bio Foods abschließend die Muskatnüsse sowie die Muskatblüten ganz oder gemahlen und schickt sie auf Weltreise zu den Handelspartnern. Dank des Fairen Handels erhalten nicht nur die SOFA-Gewürzbauern einen angemessen Preis für ihre Produkte, auch die Beschäftigen in den Verarbeitungsanlagen von Bio Foods werden fair bezahlt. Mit 620 Rupien (3,75 Euro) liegt ihr Tagesgehalt 63 Prozent über dem Mindestlohn, der auf Sri Lanka 380 Rupien (2,30 Euro) pro Tag beträgt.

Muskatnuss ist aus der Liebesküche nicht wegzudenken

Muskatnuss und Muskatblüte haben einen ähnlichen Geschmack, wobei Muskatblüte feiner im Aroma und 50 Prozent teurer ist. Muskatblüte, auch Macis genannt, wird zum Würzen von Gebäck, Pudding, Kompott, Bouillons, Pastetenfüllungen, Schalentieren und in Bayern zur Herstellung von Weißwürsten verwendet. Die herbere, leicht bittere Muskatnuss ist ein typisches Gewürz für helle Saucen, Eintöpfe, Kartoffelpüree, Kohlgerichte, Frikadellen, Schweinsbraten und erotische Liebesspeisen. Muskatnuss wird auch als Liebesgewürz bezeichnet, weil sie den Geschlechtstrieb steigert. Ob aus geschmacklichen oder aphrodisierenden Gründen, Muskatnuss sollte man immer frisch gerieben am Ende der Garzeit zu den Speisen geben. Ihre ätherischen Öle verflüchtigen sich nämlich äußerst rasch. Wir verwenden Muskatnuss außerdem sparsam, da ihr Aroma sehr intensiv ist und ein Zuviel das Essen schnell geschmacklich verderben kann.

Muskatnuss kann Rauschzustände hervorrufen

Neben der potenzsteigernden Wirkung zeigen Muskatnuss und Muskatblüte bei regelmäßigem Konsum weitere positive Effekte: Beide Gewürze sollen Ekzeme und Flechten heilen, den Cholesterinspiegel senken, die Gedächtnisleistung fördern, der Faltenbildung vorbeugen und die Stimmung aufhellen. Wichtig ist auch hier das Maß. Muskatnuss und Muskatblüte enthalten nämlich die pyschoaktiven Substanzen Myristicin, Elemicin und Safrol, die bei übermäßigem Konsum Halluzinationen und Euphorie hervorrufen. Rauschzustände treten bereits ab einer Menge von vier Gramm auf, was ungefähr einer dreiviertel Muskatnuss entspricht. Die halluzinogenen Wirkungen können mehrere Tage anhalten und werden in der Regel von Vergiftungserscheinungen wie Schwindelgefühl, Schweißausbrüchen, Kopfweh, Magenschmerzen, Übelkeit und Erbrechen begleitet. Wegen der vielfältigen und unvorhersehbaren Nebenwirkungen raten wir dringend davon ab, Muskatnuss und Muskatblüte als Rauschmittel zu konsumieren!

 

Nach Blogposts zu den Themen Gewürze und Zimt ist dieser Muskatnuss-Artikel der dritte Blogbeitrag einer achtteiligen Gewürzreihe. In den folgenden Blogposts erzählen wir von unseren Besuchen bei weiteren sri-lankischen Kleinbauern, die Pfeffer, Kurkuma, Kardamom, Gewürznelken und Vanille produzieren.

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