Exakt vor einem Jahr waren wir zur Weinlese in Südafrika beim Fair-Trade-Bio-Weingut Stellar Organics: Keine Masken. Hände schütteln. Unbeschwertheit. Momentan werden wieder Trauben geerntet: Corona-regelkonform, wie uns Stellar-Marketingchef Johan Grobler letzte Woche in einem Interview berichtete.
Corona hin oder her, die Natur nimmt ihren Lauf, so auch in der südafrikanischen Weinbauregion Olifants River, wo sich alljährlich im November Blüten an den Weinreben bilden. Sie entwickelten sich zu Trauben mit saftigen Beeren, deren Erntezeit von Februar bis April ist. Genau vor einem Jahr, Ende Februar 2020, waren wir beim Fair-Trade-Bio-Weingut Stellar Organics zu Gast und nachts um zehn Uhr bei den Koordinaten 31° 31‘ 50.884‘‘ S, 18° 16‘ 12.5‘‘ O mit Wilhelm Steenkamp verabredet. Er ist für die Weinlese verantwortlich und erwartete uns im Mondschein am Rand eines Shiraz-Weinfelds. „Wir haben hier einen fruchtbaren Boden, viel Sonnenschein, hohe Tagestemperaturen und kühlende Meereswinde, also ideale Voraussetzungen für den Anbau hervorragender Weine. Damit die Beeren während der Lese nicht an Frische verlieren und unkontrolliert zu gären beginnen, ernten wir ausschließlich nachts bei Temperaturen unter 17 Grad Celsius“, erklärte uns Wilhelm mit Blick auf ein Thermometer. Kurz nach Mitternacht hatte es genügend abgekühlt. Ein Arbeiter startete einen supermodernen Traubenvollernter und tauchte das Shiraz-Weinfeld in Scheinwerferlicht.
„Unser Vollernter gehört zu den besten, die es auf dem Markt gibt. Er schüttelt die Beeren schonend von den Weinreben und befreit sie automatisch von Blättern und Stielen. So erhalten wir eine hohe Lesegutqualität und kommen mit der Ernte zügig voran“, begeisterte sich Wilhelm. Wir dagegen waren erstaunt. Mit so viel Hightech und so wenigen Menschen hatten wir bei der Weinlese eines südafrikanischen Fair-Trade-Bio-Weinguts nicht gerechnet!
Stellar Organics vereint mehrere Weintraubenfarmen, deren Besitzer Weiße sind. Einer von ihnen ist Willem Rossouw, der das Weingut 1999 gründete und nun als Geschäftsführer leitet. „Von Beginn an war es unser Ziel, nachhaltige Qualitätsweine zu produzieren und gleichzeitig die Lebensbedingungen unserer Angestellten zu verbessern. Unsere Weine sind bio- und Fair-for-Life-zertifiziert, wobei wir neben ökologischen auch biodynamische und sulfitfreie Weine auf den Markt bringen. An unsere Kunden in Europa, Afrika, Asien und Nordamerika verkaufen wir jährlich über vier Millionen Liter Wein. Damit sind wir Südafrikas größtes Fair-Trade-Weingut,“ berichtete uns Willem enthusiastisch.
Anders als viele andere südafrikanische Weingüter ist Stellar Organics keine Schönheit! Es gibt keinen parkähnlichen Garten mit pompöser Kellerei und kapholländischem Herrenhaus, sondern eine funktionale Produktionshalle mit ausgeklügelter Kellertechnik, darunter Maischegärtanks, in die rotes Lesegut wie Shiraz, Cabernet Sauvignon, Merlot und Pinotage direkt nach der nächtlichen Ernte kommt. In den Tanks verwandelt sich der im Traubensaft enthaltene Zucker zu Alkohol und aus den Beerenschalen werden die rote Farbe und Tannine extrahiert. Je nach Weinqualität dauert die Gärung vier bis 28 Tage, bevor die Maische ausgepresst, der Rotwein in Edelstahltanks und Barriquefässern mehrere Monate bis Jahre ausgebaut, dann abgefüllt und auf Reise zu den Handelspartnern weltweit geschickt wird. Neben Rotweinen produziert Stellar Organics auch Weißweine der Sorten Chenin Blanc, Sauvignon Blanc und Chardonnay.
Jacques Lot ist einer von über 200 Stellar-Angestellten, die wie er vorwiegend Schwarze und Coloureds sind. „Ich habe in verschiedenen Abteilungen der Kellerei gearbeitet und erhielt immer wieder Fortbildungen. Dass ich nun die Etikettierung leite, macht mich sehr glücklich. Ich lebe mit meiner Frau und meinem Sohn in einem Haus auf dem Weingutgelände. Mein Verdienst ist gut. Wir können davon leben“, so Jacques. Ein gemauertes Haus mit fließendem Wasser und Strom ist auch 26 Jahre nach Ende der Apartheid in Südafrika für Schwarze und Coloureds nicht selbstverständlich. Die große Mehrheit lebt nach wie vor in Armut ohne Zugang zu einer guten Bildung und Gesundheitsversorgung. Um den Kindern seiner Angestellten reale Bildungschancen zu ermöglichen, unterhält Stellar Organics auf dem Weingutgelände einen Kindergarten und eine Schule. Egal, welches Klassenzimmer wir betraten, die Kinder standen artig auf und begrüßten uns mit einem fröhlichen „Good morning visitors“. Wir waren begeistert vom Spielplatz für die Kleinen, den Computern für die Großen, dem schuleigenen Gemüsegarten und der Mensa, in der die Kinder täglich ein warmes Mittagessen erhalten. Stellar Organics hat darüber hinaus einen Klinikbus mit Krankenschwester, die im Weingut und auf den weit verstreuten Weintraubenfarmen die Angestellten medizinisch behandelt. Finanziert werden die sozialen Projekte mit der Fair-Trade-Prämie, die die Handelspartner zusätzlich zu einem fairen Weinpreis bezahlen, sowie mit Spenden des Vereins Good Grapes for a Better Life e.V., der vom deutschen Weinimporteur Peter Riegel gegründet wurde.
Ergänzend zu den sozialen Projekten ist es Stellar Organics auch wichtig, die Belegschaft stärker am Unternehmen zu beteiligen. Deshalb wurde der Stellar Empowerment Trust ins Leben gerufen. Der Trust hält 26 Prozent der Anteile des Weinguts und gehört den Stellar-Angestellten, also den Farmarbeiterinnen, Vollernterfahrern, Weinmachern, Abfüllerinnen, Etikettierern und Verwaltungsangestellten. Und dann gibt es noch Stellar Agri, einen Betrieb, der neue Weinfelder kauft, anpflanzt und pflegt und der zu zwei Drittel im Besitz der Stellar-Belegschaft ist. „Wir haben hier ein richtig gutes Gemeinschaftsgefühl. Die meisten arbeiten Jahre und Jahrzehnte bei uns. Wer länger als fünf Jahre dabei ist, bekommt jährlich Anteile am Gesamtbetrieb gutgeschrieben. Damit verändern sich die Besitzverhältnisse kontinuierlich zugunsten unserer schwarzen und farbigen Angestellten. Sie werden irgendwann über 50 Prozent der Anteile von Stellar Organics halten“, begeisterte sich Willem und ließ einen Sektkorken knallen. Wir haben sehr gerne mit dem charismatischen Stellar-Gründer auf das bereits Erreichte und eine rosige Zukunft angestoßen, zumal wir Stellar-Weine und -Sekte sehr schätzen. In Deutschland kann man die edlen Tropfen in Welt- und Bioläden kaufen.
Zwei Wochen nach unserem kleinen Umtrunk mit Willem sind wir zurück nach Deutschland geflogen. Das war am 10. März 2020. An diesem Tag wurde in Südafrika der erste Corona-Fall bekannt, während sich in Deutschland bereits 2.136 Menschen mit dem neuartigen Virus infiziert hatten. Wegen der Pandemie wurde am 16. März 2020 in Deutschland und am 26. März 2020 in Südafrika das Leben heruntergefahren. Damals dachten wir nicht, dass Corona ein Jahr später die Menschen weltweit immer noch fest im Griff hat.
Wir haben Johan Grobler, den Marketingchef bei Stellar Organics, gebeten, uns ein paar Fragen per E-Mail zur aktuellen Lage im Weingut zu beantworten. Er hat das gerne gemacht. Seine Antworten erhielten wir am 17. Februar 2021.
Mit Freude erinnern wir uns an unseren Besuch bei Stellar Organics vor einem Jahr. Damals war Corona überhaupt kein Thema und heute bestimmt das Virus unser aller Leben. Wie geht es Euch? Sind Angestellte von Stellar Organics an Corona erkrankt oder gar gestorben?
Wir sind sehr glücklich. Bislang gab es bei uns keinen einzigen Corona-Fall.
Zur Zeit ist in Südafrika Weinlesezeit und das Land befindet sich im zweiten Lockdown. Könnt Ihr Eure Trauben problemlos ernten und in der Kellerei zu Wein weiterverarbeiten?
Ja, wir können ganz normal ernten und die Trauben zu Wein weiterverarbeiten. Corona-Schutzmaßnahmen wie Maske tragen, Abstand halten und gründliches Hände waschen wurden eingeführt.
Haben der Kindergarten und die Schule bei Euch auf dem Weingutgelände während des Lockdowns geöffnet? Wenn nein, findet Fernunterricht statt?
Je nach Lockdown-Stufe sind der Kindergarten und die Schule geschlossen oder ganz normal geöffnet. Fernunterricht ist in Südafrika in ländlichen Gebieten leider nicht möglich. Es gibt kein oder nur sehr langsames Internet. Wenn die Schule geschlossen ist, erhalten die Kinder Projekte und Aufgaben, die sie zu Hause lösen.
Und was ist mit der Schulspeisung?
Damit die Kinder auch während des Lockdowns ausreichend und ausgewogen essen, haben wir mit Good Grapes for a Better Life e.V. das Programm „Covid 19 – Food Donation“ ins Leben gerufen. Liezel Rossouw, die Frau unseres Geschäftsführers Willem, ist in das Programm eingebunden. Wenn der Kindergarten und die Schule geschlossen sind, organisiert sie die tägliche Versorgung der Kinder in ihren Wohnorten mit gesundem, frischem Essen.
Hat Kim Roux, Eure Krankenschwester, in Zeiten der Pandemie mehr Arbeit? Hat sie genügend Schutzausrüstung, Corona-Tests und Medikamente?
Kim hat etwas mehr Arbeit. Glücklicherweise kann sie ihre Tätigkeit uneingeschränkt ausüben. Sie hat alles, was sie benötigt. Allerdings macht sie keine Corona-Tests. Die werden im örtlichen Krankenhaus durchgeführt.
Was denkst du, wann wird bei Euch in Vredendal, wo Stellar Organics seinen Sitz hat, mit der Corona-Impfung begonnen?
Ich habe keine Ahnung. Leider gibt es bislang keinen Impfzeitplan.
Gingen bei Stellar Organics die Bestellungen seit Ausbruch der Corona-Pandemie zurück? Wenn ja, kommt Ihr mit den finanziellen Einbußen zurecht? Oder müsst Ihr drastische Maßnahmen ergreifen wie Lohnkürzungen, reduzierte Arbeitszeiten oder Entlassungen?
Ja, unsere Verkäufe sind zurückgegangen. Deshalb kämpfen wir mit einem negativen Cashflow, das heißt dass unsere Ausgaben aktuell die Einnahmen überwiegen. Wir versuchen, den Engpass mit dem Anbau von Gemüse für den lokalen Markt zu überbrücken. Negative Maßnahmen für unsere Angestellten wie Lohnkürzungen haben wir nicht ergriffen.
Haben Stellar Organics und seine Angestellten Unterstützung vom südafrikanischen Staat erhalten?
Nein.
Was wünscht sich Stellar Organics fürs Jahr 2021?
Natürlich Gesundheit für alle, Impfungen für unsere Angestellten und ihre Familien und dass wir die finanziellen Verluste ausgleichen können.
Wir wünschen Euch alles Gute. Danke, lieber Johan, für das Interview.
Gerne!
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