In Palästina wurde bereits vor 8.000 Jahren aus wilden Oliven Öl gewonnen. Heute produzieren Kleinbauern exzellentes Bio-Olivenöl, das die Fair-Handels-Organisation Canaan in alle Welt exportiert. Die Bauernfamilien haben in den Wirren des israelisch-palästinensischen Konflikts ein sicheres Einkommen und sie feiern alljährlich im November gemeinsam ein ausgelassenes Olivenerntefest.
Oliven ernten ist richtig anstrengend, wovon Michael ein Lied singen kann! Wir waren im Herbst 2017 bei Khader Khader und Michael hat mit einem Stock so viele Oliven von den Zweigen geklopft, dass sich eine riesige Blase an seiner rechten Handinnenfläche bildete. Er hatte nicht nur mein, sondern auch Khaders Mitgefühl, dessen Hände schwielig und muskulös sind.
Olivenbäume sind anspruchslos
Khader lebt in Palästina nahe Nablus im 350-Seelen-Dorf Nisf Jubeil. Sein Olivenhain liegt 30 Traktorminuten außerhalb des Ortes inmitten einer bezaubernden, trocken-steinigen Hügellandschaft. So weit das Auge reicht, ist alles ockergelb-grau mit kleinen, weit verstreuten Olivenhainen. Olivenbäume werden 800 bis 1.000 Jahre alt. Sie benötigen wenig Wasser und gedeihen auf kargem Boden. Deshalb stehen im regenarmen Palästina auf etwa 80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche Olivenbäume. Ihre Früchte sind in dem kriegsgebeutelten Land für viele Kleinbauernfamilien eine wichtige Einkommensquelle.
Oliven werden durch Abklopfen geerntet
Traditionell ist die Olivenernte Gemeinschaftsarbeit, so auch bei Khader, wo Ehefrau Ransees, Schwäger und gute Freunde mithelfen. Unter den Bäumen werden klassischerweise große Plastikplanen ausgelegt, auf die die abgeklopften Oliven sanft fallen. „Die Erntezeit ist bei uns Oktober, November. Pro Baum ernte ich 50 bis 60 Kilogramm Oliven, aus denen fünf bis sechs Liter Olivenöl entstehen. Heute werden wir sechs Bäume abernten. Jetzt gibt’s aber erst mal Mittagessen“, dozierte Khader nach halbtägiger Arbeit. Kurzerhand sammelte er dürres Olivenholz, entzündete ein kleines Feuer und frittierte in selbst hergestelltem Olivenöl Tomaten, Schafskäse und Würstchen. Verschwitzt und mit dreckigen Fingern genossen wir im Schatten der knorrigen Olivenbäume ausgiebig das köstliche Mahl, bevor wir erneut fotografierten, Oliven von den Zweigen klopften und abschließend die geernteten Früchte von kleinen Ästen und Blättern befreiten. In Jutesäcke verpackt wurde die Tagesernte gemeinsam mit uns und den Erntehelfern auf den Traktor verfrachtet und es ging zurück nach Nisf Jubeil, allerdings nicht zum After Work Chill Out in Khaders Haus, sondern zur Ölmühle.
Olivenöl direkt aus der Mühle schmeckt klasse!
„Wenn man qualitativ hochwertiges Olivenöl herstellen möchte, müssen die Oliven noch am selben Abend weiterverarbeitet werden. Lässt man sie zu lange liegen, gären die Oliven und ihr knackiges, frisches Aroma geht verloren“, klärte uns Khader auf. Mehrere Olivenbauern aus Nisf Jubeil teilen sich die Ölmühle. In ihr werden separat für jeden Produzenten die angelieferten Oliven mit kaltem Wasser gereinigt, trocken gerüttelt und samt Steinen zerkleinert, so dass eine breiige Masse entsteht. In dieser befinden sich feine Öltröpfchen, die mittels Kneten zusammengeführt werden. Hat der Olivenbrei im Knetwerk die entsprechende Konsistenz erreicht, kommt er in einen Dekanter, der den Brei mittels Zentrifugalkraft in seine Bestandteile trennt: Feststoffe, Wasser und Öl, das grüngold-trüb aus der Ölmühle fließt. Wir durften das frisch extrahierte Olivenöl probieren und es schmeckte uns richtig gut!
Khader produziert „Natives Olivenöl Extra“
Bei Khaders Olivenöl handelt es sich um ein Olivenöl der höchsten Güteklasse und darf damit laut EU-Verordnung als „Natives Olivenöl Extra“ bezeichnet werden. Das bedeutet, dass das Olivenöl direkt aus Oliven ausschließlich mit mechanischen Verfahren gewonnen wird, es bei der Produktion eine Temperatur von 27 Grad Celsius nicht überschreitet und der Säuregehalt maximal 0,8 Prozent beträgt. „Darüber hinaus ist mein Olivenöl bio-zertifiziert. Es wird fair gehandelt und ihr könnt es auch in Deutschland kaufen“, verkündete Khader stolz. „Vor dem Export muss es allerdings noch gefiltert, abgefüllt und verpackt werden, was bei Canaan in Burqin geschieht.“
Canaan wurde vom Kulturanthropologen Dr. Nasser Abufarha gegründet
Canaan ist eine palästinensische Fair-Handels-Organisation, die vom Kulturanthropologen Dr. Nasser Abufarha gegründet wurde. Für einen einzelnen Kleinbauern ist es in Palästina sehr schwer, sein Olivenöl zu einem existenzsichernden Preis direkt zu verkaufen. Zum einen ist der nationale Markt klein. Zum anderen sind Verkäufe ins Ausland kompliziert und kostspielig, weil alle palästinensischen Exporte über Israel abgewickelt werden müssen. Viele Bauern verarmen. Manche nehmen eine andere Arbeit an und geben deshalb ihre Olivenhaine auf. Um die Lebenssituation palästinensischer Bauernfamilien zu sichern und ihnen in den Wirren des Nahostkonflikts ein Stück weit ein normales Leben zu ermöglichen, gründete Nasser im Jahr 2004 Canaan. Er begann, die Olivenbauern zu organisieren. Zwischenzeitlich hat Canaan über 2.500 Mitlieder in 52 Dörfern im gesamten Westjordanland. Darunter ist Khader.
Canaan bezahlt einen anständigen Preis fürs Olivenöl
Canaan exportiert das Olivenöl seiner Mitglieder in über 20 Länder weltweit. Ein wichtiger Handelspartner ist die deutsche Fair-Handels-Organisation WeltPartner, die Weltläden beliefert. „Von Anfang an war es mir wichtig, dass die Bauern ihre Haine nachhaltig bewirtschaften und fair bezahlt werden. Wir haben die Bio-Zertifizierung für unterschiedliche Märkte und sind Fairtrade-, Fair for Life- und Naturland Fair-gesiegelt“, erzählte uns Nasser enthusiastisch. Mit dem Preis, den die Bauern von Canaan fürs Olivenöl erhalten, können sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien gut bestreiten. Es bleibt sogar etwas Geld übrig, das in Dünger, Wasser, Arbeitsgeräte oder den Hausbau investiert werden kann. Darüber hinaus leistet Canaan technische Beratung und finanziert Gemeinschaftsprojekte: Bauernkinder erhalten Universitätsstipendien und Frauen Kleinkredite zur Umsetzung einer Geschäftsidee. Dieselbetriebene werden durch pflanzenölbetriebene Traktoren ersetzt und zerstörte Olivenhaine wieder aufgeforstet.
Olivenbäume symbolisieren Hoffnung und Frieden
Um Palästina zu schaden, haben israelische Militärs und Siedler im Westjordanland seit 1967 hunderttausende Olivenbäume entwurzelt und verbrannt. Die Zerstörungen treffen die Bauern nicht nur wirtschaftlich, sondern auch emotional, weil die Olivenhaine von Generation zu Generation weitervererbt werden. Pro verkauftem Liter Olivenöl bezahlt Canaan einen US-Dollar an das Programm „Trees for Life“, in dessen Rahmen seit 2005 mehrere zehntausend Olivenbäume gepflanzt wurden. Sie sollen Jungbauern den Einstieg ins Berufsleben erleichtern und Kleinbauernfamilien im israelisch-palästinensischen Konflikt neue Perspektiven aufzeigen. „Von alters her ist der Olivenbaum ein Symbol für Hoffnung und Frieden. Seine Früchte gilt es für ein gewaltfreies, selbständiges und aufstrebendes Palästina zu nutzen“, so Nasser.
Canaans Olivenöl-Abfüllanlage ist supermodern
Uns hat in Burqin nicht nur das Gespräch mit Nasser tief beeindruckt, sondern auch das Canaan-Firmengebäude, das modernster Technik entspricht: Hier lagert in riesigen Edelstahltanks das Olivenöl, das die Bauern in Dörfern wie Nisf Jubeil produzieren. Auf Bestellung wird es gefiltert, abgefüllt, etikettiert, verpackt und auf Reise zu den Handelspartnern in aller Welt geschickt. Erledigt werden die Arbeiten von 40 Angestellten. Sie erhalten einen fairen Lohn, bekommen gute Sozialleistungen und haben einen gesunden, sicheren Arbeitsplatz.
Khader ist ein toller und ausdauernder Tänzer
Angestellte, Bauernfamilien und Nasser kommen einmal im Jahr zusammen, nämlich beim Olivenerntefest in Burqin Anfang November. Wir waren zum Fest eingeladen und besuchten es gemeinsam mit Khaders Familie. Ransees hatte sich sehr schick gemacht und trug ein traditionelles, schwarz-rot besticktes Kleid zu farblich passendem Kopftuch und Lippenstift. Wow! Wir aßen gegrilltes Huhn, tunkten Fladenbrot in Olivenöl und naschten zuckersüßes Mandelgebäck zum Kardamom gewürzten Kaffee. Nasser schwang eine Rede, die wir, weil sie auf Arabisch war, nicht verstanden. Und dann begann Esaam Jelmawy, ein lokale Musiker, palästinensische Volkslieder zu singen. Während sich die Bäuerinnen am Rand der Tanzfläche in Zurückhaltung übten, wirbelten die Bauern klatschend durcheinander. Zu den wildesten und ausdauerndsten Tänzern gehörte Khader!
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