Samburu- und Rendille-Frauen leben im Patriarchat. Sie tragen üppigen Perlenschmuck, der nicht nur wunderschön ist, sondern auch Auskunft über ihren sozialen Status gibt. Damit sie ein eigenständigeres Leben führen können, ermöglicht die kenianische Fair-Handels-Organisation BeadWORKS den Frauen mit dem Verkauf von Perlenwebwaren eigenes Geld zu verdienen.
Naisimira ist 13 Jahre alt und trägt eine mehrere Kilogramm schwere Kette aus roten Perlen um den Hals. Die Perlen hat ihr ein Moran geschenkt. Das ist ein junger Krieger und sein Perlengeschenk erlaubt es ihm, mit Naisimira Sex zu haben, wann immer er will. Heiraten wird der Moran sein Perlenmädchen nicht. Enge Verwandte werden für Naisimira die Ehe mit einem älteren Mann arrangieren, der den Brautpreis von sieben Rindern zahlen kann. Wichtig ist nur, dass Naisimira in ihrer Zeit als Perlenmädchen nicht schwanger wird!
Naisimira ist eine Samburu und ihr Schicksal teilen tausende Mädchen im heißen, trockenen Norden Kenias. Traditionell sind die Samburu Viehhirten und ihre Gesellschaft ist eine patriarchale. Während die Männer die Entscheidungen treffen sowie Land und Vieh besitzen, tragen die Frauen die Lasten des Alltags: Sie bauen die Häuser, kochen, holen Wasser, sammeln Brennholz, kümmern sich um die Kinder, melken Kühe und Ziegen. Ihren Ehegatten müssen sie sich mit mehreren Frauen teilen. Die Samburu-Männer leben nämlich polygam.
Am Tag ihrer Hochzeit wird Naisimira ihre rote Perlenkette ablegen und von da an üppigen Schmuck aus bunten Perlen tragen. Die Samburu-Frauen sind für ihren farbenprächtigen Kopf-, Hals-, Arm- und Beinschmuck bekannt, der nicht nur wunderschön ausschaut, sondern auch Auskunft über ihren sozialen Status gibt. „Die Mädchen lernen von klein auf von ihren Müttern das Perlenweben. Es ist eine uralte Tradition und es entstand die Idee, dass die Frauen damit Geld verdienen könnten“, erzählte uns Salma Lekoomet. Sie ist die Produktmanagerin von BeadWORKS und besuchte gemeinsam mit uns das Samburu-Dorf Ngutuk Eng’iron.
BeadWORKS wurde 2004 mit dem Ziel gegründet, die Lebenssituation von Hirtenfrauen zu verbessern, indem sie eigenes Geld verdienen und damit ein eigenständigeres Leben führen können. Zwischenzeitlich arbeitet die Fair-Handels-Organisation im Norden Kenias in acht Gemeinden mit 1.200 Frauen zusammen. „Aus Frauen, die nur für sich selbst weben, professionelle Perlenweberinnen zu machen, ist nicht einfach. Wir sind in die Dörfer gegangen, haben die Frauen organisiert und trainiert. In den Fortbildungen ging es um die Wichtigkeit, vorgegebene Designs akkurat umzusetzen, Aufträge fristgerecht abzuschließen und vor allem die internationalen Qualitätsstandards einzuhalten. Wir haben Kunden in Australien, Amerika und Europa und alle sind anspruchsvoll. Als die Frauen merkten, dass sie tatsächlich Geld mit dem Perlenweben verdienen können, wurden sie immer interessierter und zielstrebiger“, berichtete Salma aus der Anfangszeit.
Vom Enthusiasmus der Frauen konnten wir uns selbst überzeugen, denn anlässlich unseres Besuchs kamen 36 Perlenweberinnen im Schatten einer Akazie zusammen. Salma hatte einen neuen Auftrag und das entsprechende Rohmaterial im Gepäck: hochwertige Glasperlen aus Tschechien. Umgehend begannen die Frauen, ihre Holzwebrahmen zu bespannen und aus den bunt-glänzenden Perlen gemusterte Armbänder für ein Schmuckgeschäft in Kanada zu weben. „Dank BeadWORKS bin ich nicht mehr von meinem Ehemann abhängig. Früher musste ich fragen, ob er mir Geld gibt, wenn ich welches brauchte. Nun kommt er zu mir und bittet mich um Geld. Das ist ein tolles Gefühl,“ verriet uns Naitemu Leletur. Sie ist die Mutter der 13-jährigen Naisimira und hofft, dass ihre Tochter auch einmal eine professionelle Perlenweberin wird: „Um mit BeadWORKS zusammenarbeiten zu können, muss man 18 Jahre alt sein. Für Naisimira wünsche ich mir, dass sie mit einem guten Mann verheiratet wird und mal so viel mit dem Perlenweben verdient, dass sie sich eigene Rinder und Ziegen kaufen kann. Ich schätze unsere Traditionen, finde es aber auch wichtig, dass wir Frauen etwas unabhängiger von den Männern werden und Tiere besitzen dürfen.“
Nach unserem Besuch bei den Samburu sind wir mit BeadWORKS noch weiter in den Norden Kenias gefahren und zwar in eine namenlose Rendille-Siedlung nahe der Kleinstadt Laisamis. Samburu und Rendille haben viele Gemeinsamkeiten: Viehzucht, Patriarchat, Polygamie und perlengeschmückte Frauen, um nur wenige zu nennen. Wie bei den Samburu, so wurden wir auch bei den Rendille mit Gesang und Tanz empfangen, denn bei beiden Völkern ist es undenkbar, dass man zusammenkommt, ohne das Treffen mit gemeinsamem Singen und Tanzen zu starten. Welch schönes Ritual!
Die Rendille-Frauen steckten gerade inmitten eines Auftrags und so hatten alle zum Weiterarbeiten halbfertige Löwen, Nashörner, Giraffen, Zebras und Pinguine dabei. „Der Zoo Zürich ist ein wichtiger Kunde von uns und bestellt regelmäßig neben ostafrikanischen Wildtieren Pinguine. Weil es die hier nicht gibt, haben wir den Frauen Fotos gezeigt und so ist es für sie kein Problem, aus schwarzen und weißen Perlen Pinguine zu gestalten. Die Perlentiere sind Schlüsselanhänger, wobei die Endfertigung, in diesem Fall das Anbringen der Verschlüsse, in unserer Zentrale erfolgt“, erklärte uns Rose Alijaro. Sie ist eine Rendille und hat eine Festanstellung in der BeadWORKS-Zentrale in der 160 Kilometer südlich gelegenen Stadt Isiolo.
Neben Armbändern und Schlüsselanhängern produzieren die Perlenweberinnen in unterschiedlichen Webtechniken auch Ketten, Ohrringe, Gürtel, Hundehalsbänder und Weihnachtsschmuck. Für einen US-amerikanischen Haushaltswarenladen hatten ein paar Frauen fertige Glas- und Topfuntersetzer dabei. Rose unterzog die Produkte einer Qualitätskontrolle, war zufrieden und dann zückten die Kunsthandwerkerinnen ihre uralten Tastenhandys. „Früher haben wir die Frauen bar bezahlt und es kam immer wieder zum Streit mit den Ehemännern. Viele nahmen den Frauen das Geld weg und deshalb sind wir dazu übergegangen, den Stücklohn via M-Pesa zu überweisen. So können die Frauen eigenverantwortlich über ihr Geld verfügen und davon kaufen, was sie möchten“, ließ uns Rose wissen.
M-Pesa ist ein mobiles Bezahlsystem, das in Kenia entwickelt wurde und Geldgeschäfte statt über ein Bankkonto über eine SIM-Karte ermöglicht. In Kenia haben 90 Prozent der Menschen ein Handy, das für sie gleichzeitig Telefon und Geldbeutel ist. Die meisten hatten noch nie ein Bankkonto und sprangen direkt ins Zeitalter des mobilen Bezahlens, wie Perlenweberin Rauton Naivisha. Uns begeisterte die Selbstsicherheit, mit der sie ihr Handy bediente, und erstaunte zugleich, dass sie das Einreichen ihrer Perlen-Topfuntersetzer mit Fingerabdruck unterschrieb.
Im Norden Kenias lebt über die Hälfte der Menschen unterhalb der Armutsgrenze und 80 Prozent sind Analphabeten. „Für die Zukunft wünsche ich mir, dass meine Kinder einen Schulabschluss machen. Ich hatte nicht die Möglichkeit, die Schule zu besuchen, finde aber Schulbildung sehr wichtig. Vielleicht können meine Kinder sogar einen Beruf erlernen. Das wäre prima. Von dem Geld, das ich mit dem Perlenweben verdiene, kaufe ich Schulmaterialien für meine Kinder und Lebensmittel und manchmal, wenn etwas übrig bleibt, ein Kleid für mich“, vertraute uns Rauton an.
Obwohl ich kein Rendille spreche und Rauton weder Englisch noch Deutsch, ist eine tiefe Verbundenheit zwischen uns entstanden. Sie hat mir gezeigt, wie man aus Perlen einen Elefanten fertigt, und uns zu sich nach Hause eingeladen. Das war gegen Abend und es kamen immer mehr Kamele vom Weiden zurück in die Siedlung. Weil es so dürr ist, finden Rinder nichts mehr zu fressen. Deshalb halten die Rendille neben Ziegen Kamele. Die kommen 15 Tage ohne Wasser aus und liefern nahrhafte Milch. Weil sie keine Landwirtschaft betreiben, ernähren sich die nordkenianischen Hirtenvölker vor allem von Milch, Blut, Reis, Maisbrei und an Festtagen von Fleisch.
Rautons Zuhause ist eine Hütte, die sie aus Ästen, Lehm und Tierhäuten für sich und ihre Kinder gebaut hat. Ihr Ehemann schläft reihum bei einer seiner Frauen, verkauft zum Gelderwerb manchmal ein Kamel und trifft sich gerne mit seinen Freunden zum Tabakkauen. Wir durften uns in Rautons Hütte ans Feuer setzen und ihre Mutter kennenlernen. Sie gab in einen länglichen Kürbisbehälter brennende Holzkohle, um krankmachende Bakterien abzutöten. Nach der Reinigung schüttete sie frisch gemolkene Kamelmilch in das Gefäß, ließ sie ein bisschen ruhen und teilte dann das flüssige Abendessen mit uns. Es war einer jener Reisemomente, in denen man vor Scham am liebsten im Erdboden versinken möchte: Man ist bei sehr armen Menschen zu Gast, die das Wenige, das sie haben, ganz selbstverständlich mit einem teilen und dann findet man die rauchige Kamelmilch einfach nur fürchterlich! Unsere Gesichter müssen Bände gesprochen haben. Lachend nahm uns Rauton die noch vollen Blechtassen ab und schenkte mir dafür eine ihrer Perlenketten. Wenn ich ihre Gesten und ihr Mienenspiel richtig gedeutet habe, soll mich das farbenprächtige Collier in Deutschland schmücken und an unser herzliches Zusammentreffen erinnern. Es hängt nun in unserer Frankfurter Wohnung neben meinem Bett und erfüllt mich mit einem wohligen Gefühl, wann immer ich es sehe. Getragen habe ich den nordkenianischen Halsschmuck jedoch noch nicht. Für Deutschland ist er zu extravagant, finde ich.
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