Kakao aus Ghana ist von hoher Qualität, weil das COCOBOD lückenlose Qualitätskontrollen durchführt. Die staatliche Institution überwacht den nationalen Kakaomarkt. Sie bestimmt, wieviel die Bauern für ihre Bohnen erhalten, und sie hat das alleinige Recht, Kakao ins Ausland zu verkaufen. Die Produzenten selbst leben in Armut. Kinderarbeit ist an der Tagesordnung.
„Meine Kakaobäume gehören mir und meine Kakaobohnen gehören dem Staat,“ erzählte uns Kakaobauer Prince Adu-Boachem als wir ihn vor zwei Monaten in Ghana auf seinem kleinen Bauernhof besuchten. Wir fanden die Aussage paradox und schoben die Unlogik auf Verständigungsschwierigkeiten. Schließlich ist unsere Muttersprache Deutsch. Prince Muttersprache ist Twi. Und da kann es bei einem Gespräch auf Englisch schon mal zu Missverständnissen kommen! Oder nicht? Prince spürte unsere Verwirrung, lachte entwaffnend und brachte Licht ins Dunkel: „Natürlich gehören mir auch meine Kakaobohnen. Ich bin aber verpflichtet, sie an den ghanaischen Staat zu verkaufen. Weil ich mit ihnen nicht machen darf, was ich möchte, bin ich auch nicht ihr wirklicher Besitzer!“
Nach der Elfenbeinküste ist Ghana der zweitgrößte Kakaoerzeuger weltweit. Das westafrikanische Land produziert jährlich etwa 740.000 Tonnen Kakao und erzielt damit ungefähr ein Viertel seiner Exporteinnahmen. Wegen seiner großen Bedeutung für Ghanas Wirtschaft hat die Regierung ein hohes Interesse daran, den Kakaomarkt zu kontrollieren. Dafür ist das Ghana Cocoa Board zuständig, kurz COCOBOD genannt. 1947 gegründet und seither mehrmals reformiert, legt die staatliche Institution jährlich den Preis fest, den die Bauern für ihre Kakaobohnen erhalten. Außerdem überwacht und reguliert das COCOBOD den Aufkauf, die Vermarktung und den Export allen in Ghana produzierten Kakaos.
Für Kakaobauern wie Prince bedeutet das, dass sie ihre Ernte zu einer COCOBOD-eigenen oder zu einer vom COCOBOD lizenzierten Sammelstelle bringen müssen, die die Kakaobohnen zu dem vom COCOBOD festgesetzten Preis aufkaufen. Dieser beträgt alljährlich etwa 70 Prozent des stark schwankenden Weltmarktpreises! Bevor die Bauern ihr Geld erhalten, wird von COCOBOD-Mitarbeitern eine Qualitätskontrolle durchgeführt. Obwohl wir keine offizielle Genehmigung vom COCOBOD hatten, erlaubten uns zwei Kontrolleure in einer Aufkaufstation in Agona einer solchen Kontrolle beizuwohnen. Wir fanden das ausgesprochen nett und waren überrascht, wie aufwändig das Ganze ist!
Die Bauern liefern ihre Kakaobohnen in 64 Kilogramm schweren Jutesäcken an. In einem ersten Schritt messen die Kontrolleure die Restfeuchte des Kakaos (Moisture Content Test). Liegt diese über sieben Prozent, muss der Bauer seine Kakaobohnen zum Nachtrocknen wieder mit nach Hause nehmen. Liegt die Feuchtigkeit unter sieben Prozent, entnehmen die Kontrolleure in einem zweiten Schritt aus jedem Sack drei Mal 100 Gramm schwere Proben und zählen, wieviele Kakaobohnen in diesen enthalten sind (Bean Count Test). In einem dritten Schritt werden die gezählten Kakaobohnen der Länge nach aufgeschnitten, ausgebreitet und nach verschiedenen Kriterien wie Farbe und Beschaffenheit des Kerns analysiert (Cut Test). Dann legen die Kontrolleure die Qualität des angelieferten Kakaos fest. In Ghana gibt es sieben Qualitätsstufen. B und L sind die höchsten. Sie besagen, dass die Kakaobohnen gut getrocknet, richtig fermentiert, von praller Größe und unverletzt sind. Um Betrug zu vermeiden, werden abschließend die kontrollierten Kakaosäcke verplombt und mit dem jeweiligen Qualitätsbuchstaben versehen.
In Ghana gibt es mehrere Tausend Aufkaufstationen. Von diesen wird der Kakao zu riesigen Lagerhallen in den Städten Takoradi, Tema und Kumasi transportiert, wo eine zweite Qualitätskontrolle stattfindet. Erst dann verkauft das COCOBOD den Kakao ins Ausland. Der staatlichen Institution ist das Recht vorbehalten, Kakao zu exportieren. Produziert wird in Ghana vor allem die widerstandsfähige und ertragreiche Kakaosorte Forastero, die bitter schmeckt, dunkel ist und 80 Prozent der Weltkakaoernte ausmacht. Wegen der strengen Kontrollen ist ghanaischer Kakao für seine hohe Qualität bekannt. Ausländische Händler sind deshalb bereit, bis zu zehn Prozent über dem Weltmarktpreis zu bezahlen. Die Differenz zwischen dem Preis, den die Kakaobauern erhalten (circa 70 Prozent des Weltmarktpreises) und dem Preis, den die Händler bezahlen (bis zu 110 Prozent des Weltmarktpreises) kommt der ghanaischen Regierung zugute. Natürlich muss der Staat mit einem Teil des Gewinns das COCOBOD finanzieren. Ein anderer Teil fließt an die Bauern zurück. Aktuell erhalten sie vom COCOBOD umsonst zur Verjüngung ihrer Plantagen ertragreiche und krankheitsresistente Hybrid-Kakaosetzlinge. Außerdem bekommen sie für billiges Geld konventionelle Pflanzenschutzmittel. Biobauern profitieren von diesen Gaben nicht!
Zwischen 700.000 und einer Million Kleinproduzenten bauen in Ghana Kakao an, wobei ein durchschnittlicher Kakaobauer fünf Kinder, eine Ehefrau und zwei Hektar Land hat. Auf diesem produziert er im Jahr etwa 1.000 Kilogramm Kakaobohnen. Das entspricht 15 Kakaosäcken und pro Sack bezahlt das COCOBOD momentan 475 Cedi (110 US-Dollar). Damit stehen einer siebenköpfigen Durchschnittsfamilie aus dem Kakaoanbau pro Jahr etwa 1650 US-Dollar zur Verfügung. Das sind 0,65 US-Dollar pro Person und Tag, was auch in Ghana kaum zum Überleben reicht. Wer weniger als 1,25 US-Dollar am Tag zur Verfügung hat, gilt übrigens nach der Definition der Weltbank als extrem arm! Der niedrige Kakaopreis führt nicht nur zur Verarmung der Landbevölkerung, sondern auch zu verstärkter Landflucht. Vor allem Jugendliche sehen in der Landwirtschaft keine Perspektive und suchen ihr Glück in der Stadt.
Eine weitere Folge des geringen Kakaopreises ist Kinderarbeit. Eine Studie der Tulane University aus den Jahren 2013 und 2014 belegt, dass auf Ghanas Kakaofeldern fast eine Million Kinder tätig sind. Die meisten arbeiten umsonst für ihre Eltern. Typische Kinderarbeiten sind:
Für Kinder ist ein Großteil dieser Tätigkeiten wie „Tragen schwerer Lasten“ und „Arbeiten mit der Machete“ laut UN-Kinderkonvention verboten. Sie gefährden die Gesundheit der Heranwachsenden. Viele leiden unter Schnittwunden (26 Prozent), Hauterkrankungen (26 Prozent), Insektenstichen (19 Prozent) und Rückenschmerzen (11 Prozent). Wäre ihr Verdienst höher, könnten die Bauern während der arbeitsintensiven Erntezeit Hilfskräfte einstellen. Sie leben aber unterhalb der Armutsgrenze und sind deshalb gezwungen, alle Familienmitglieder in den Kakaoanbau einzubeziehen. – Dazu gehören auch die Kinder! Erfreulich ist immerhin, dass in Ghana laut Tulane-Studie 96 Prozent aller arbeitenden Heranwachsenden die Schule besuchen.
Die soziale Situation der Kakaobauern fällt nicht in die Zuständigkeit des COCOBOD. Es kümmert sich lediglich um die Qualität, den Aufkauf, die Vermarktung und den Export des in Ghana produzierten Kakaos, wobei die staatliche Institution keinen Einfluss auf die Weltwirtschaft hat! Kakao wird an den Rohstoffbörsen in New York und London gehandelt. Das große Geld machen Händler und Spekulanten sowie Kakaoverarbeiter und Schokoladenhersteller in Europa und den USA. Soll sich die Lebenssituation der Bauern verbessern, ist es wichtig, den Weltmarktpreis für Kakao deutlich anzuheben. Das ist ein langwieriges und vielleicht utopisches Unterfangen. Wer sofort etwas tun will, muss Fair-Trade-Schokolade kaufen!
Welchen Platz der Faire Handel im starren Korsett des COCOBOD einnimmt und welche Vorteile er den ghanaischen Kleinbauern bringt, zeigen wir in unserem Blog-Beitrag über Kuapa Kokoo. Die Kooperative hat über 85.000 Mitglieder, darunter der eingangs erwähnte Kakaobauer Prince nebst Ehefrau Theresa.
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