Im Norden Ghanas hat das Flechten von Körben eine lange Tradition. Einst als Bierfilter verwendet, werden sie heute als schicke Einkaufskörbe exportiert. Die hochwertigen Unikate produzieren Bäuerinnen, deren einzige Einnahmequelle die Korbherstellung ist.
Ghana hat sich seit den 1990er Jahren zu einem Land mit einer mustergültigen Demokratie und einem hohen Wirtschaftswachstum gemausert. Die Zahl der Armen wurde halbiert und es herrscht Frieden. Ghana gilt deshalb als ideales Einstiegsland für alle, die gerne mal Afrika besuchen möchten. Wir waren vor sieben Monaten in Ghana. Nach 25 Lateinamerika- und vier Asienreisen hielten wir uns erstmals auf dem afrikanischen Kontinent auf. Noch immer sind wir erstaunt, bestürzt und nachdenklich: So große Armut hatten wir zuvor in keinem unserer Reiseländer gesehen, wobei es in Ghana ein Süd-Nord-Gefälle gibt. Im ressourcenreichen, fruchtbaren Süden werden wichtige Exportprodukte wie Gold, Öl und Kakao produziert. Der Norden ist dagegen ressourcenarm, trocken und von der Regierung vernachlässigt. Es wird geschätzt, dass hier sieben von zehn Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben.
Adukopoka Abolgabono wohnt in Sumbrungu. Das ist ein kleines Dorf in der nordghanaischen Upper East Region keine 15 Kilometer von der Regionalhauptstadt Bolgatanga entfernt. Adukopoka hat uns auf ihrem Hof empfangen – einem Ensemble aus mehreren kleinen Lehmhütten und einem kegelförmigen Getreidespeicher. Das Wasser muss Adukopoka vom Dorfbrunnen holen. Sie kocht über dem offenen Feuer. Ein Klo gibt es nicht. Als Toilette nutzt die Familie die Savannen. „Bei uns im Dorf geht es allen ähnlich. Wir sind Bauern und kultivieren Hirse, Mais, Erdnüsse, Okras und Bohnen. Allerdings ist der Boden schlecht und es regnet zu wenig. Wir haben jährlich nur eine Erntezeit und das, was wir ernten, reicht kaum für uns selbst. Verkaufen können wir nichts“, erzählte uns unsere Gastgeberin.
Sumbrungu liegt in der Trockensavanne. Die Landschaft ist sandfarben, flach, weit und karg. Vereinzelt gibt es gewaltige Baobab-Bäume, die im Dezember blattlosen Schatten spenden, und ein paar dürre Grasbüschel, die versuchen, der 40 Grad Hitze zu trotzen. „Momentan ist Trockenzeit. Die Felder sind abgeerntet. Viele Dorfbewohner sind im Süden Ghanas, um auf Kakaoplantagen, Goldfeldern und Schrotthalden Geld zu verdienen. Manche kommen zur Regenzeit wieder zurück. Andere bleiben für immer weg, weil es hier fast keine Arbeit gibt“, berichtete uns Adukopoka ernst. Und dann lächelte sie auf einmal: „Umso glücklicher bin ich, dass ich mit dem Korbflechten ein bisschen Geld verdienen kann!“
In Bolgatanga und seinen umliegenden Dörfern werden seit jeher aus Elefantengras Körbe geflochten. Ursprünglich wurde mit ihnen Hirsebier (Pito) gefiltert, bis Ausländer auf die Idee kamen, die Filterkörbe mit Henkeln zu versehen und als Einkaufskörbe zu exportieren. Heute gibt es die sogenannten Bolga-Körbe in unterschiedlichen Formen, Größen und Farben. Ihren Namen verdanken sie dem Distrikt Bolgatanga, kurz Bolga!
Nicholas Apokerah kam vor 18 Jahren als Student nach Bolgatanga, um eine wissenschaftliche Untersuchung durchzuführen. Er stellte fest, dass Korbflechten eine wichtige Einkommensquelle im Bolgatanga-Distrikt ist, die Korbflechterinnen keine staatliche Unterstützung und nur 20 Prozent des lokalen Korb-Verkaufspreises erhalten. Um die Korbflechterinnen zu unterstützen, gründete er im Jahr 2000 TradeAID. Das Ziel der Nichtregierungsorganisation ist es, den Korbflechterinnen einen direkten Zugang zum Weltmarkt zu ermöglichen, sie zu beraten und ihr Einkommen zu steigern. TradeAID ist seit 2005 Mitglied der World Fair Trade Organization (WFTO) und befindet sich im Monitoringprozess fürs WFTO-Label. TradeAID arbeitet aktuell in neun Dörfern mit etwa 1065 Korbflechterinnen zusammen. Eine von ihnen ist Adukopoka. Sie gehört zur Sumbrungu Basket Weavers Group.
„Früher habe ich meine Körbe auf dem lokalen Markt in Bolgatanga an Zwischenhändler verkauft. Die bezahlten maximal 20 Cedi (4 Euro) pro Stück. Heute erhalte ich dank TradeAID einen höheren Preis.“ Adukopoka nahm uns in ihren Schlepptau und führte uns zum Kunsthandwerkszentrum, das TradeAID in Sumbrungu für die Flechterinnen gebaut hat. Anlässlich unseres Besuchs kamen 30 Frauen zusammen, um uns in ihre Kunst des Korbflechtens einzuweihen. Hergestellt werden die Körbe aus Napiergras. Weil Elefanten dieses sehr hoch wachsende Gras gerne fressen, wird es auch als Elefantengras bezeichnet. „Früher wuchs Elefantengras bei uns hier in Sumbrungu. Weil es immer weniger regnet und der Boden immer trockener wird, müssen wir es nun kaufen. Es stammt aus der Feuchtsavanne der Ashanti Region, die weiter im Süden liegt. Ein Bündel getrocknetes Elefantengras kostet fünf Cedi (ein Euro). Für einen Korb benötigt man drei Bündel“, ließ uns Adugpota Alemiya wissen.
Bevor das getrocknete Elefantengras verarbeitet werden kann, muss es noch präpariert werden: Die Frauen spalten die Strohhalme mit den Zähnen und drehen sie auf den Oberschenkeln zu Kordeln. Je nach Bestellung müssen die Strohkordeln gefärbt werden. Schwarz- und Brauntöne gewinnen die Flechterinnen aus Hirse, alle anderen Töne mit Lebensmittelfarben. Um sie geschmeidig zu machen, werden die gezwirbelten und gegebenenfalls gefärbten Strohhalme eingeweicht. Erst dann flechten die Frauen aus starken Halmen den Korbboden. Danach folgen die Seitenwände, denn nur so erhalten die Bolga-Körbe ihre Robustheit und Elastizität. Nach dem Anbringen der Henkel werden überstehende Halme mit einer Rasierklinge abgeschnitten. Fertig ist das Unikat! Für einen Korb benötigt eine Flechterin zwei bis drei Tage. Zum Arbeiten treffen sich die Frauen im Kunsthandwerkszentrum und sie arbeiten auch alleine zu Hause, wenn es die Auftragslage erfordert.
„Von 1998 bis 2002 gab es einen regelrechten Bolga-Korb-Boom. Es wurden wahnsinnig viele exportiert. Seither gehen die Verkäufe rapide zurück. In Asien werden die Bolga-Körbe imitiert und viel günstiger produziert als hier im Bolga-Distrikt“, zeigte sich Nicholas besorgt. Von den Flechterinnen hörten wir ähnliche Klagen. Zwar freuen sie sich, dass TradeAID ihnen einen angemessenen Korbpreis bezahlt, Designberatung gibt und beim Kauf des Elefantengrases finanziell hilft. Wegen der zurückgehenden Bestellungen verdienen sie jedoch immer weniger. Viele hoffen, dass die Einkünfte aus den Körben wenigsten auf einem Niveau verharren, das es ihnen ermöglicht, ihre Kinder weiterhin zur Schule zu schicken.
Um neue Kunden zu akquirieren, stellt TradeAID auf internationalen Messen aus. Das ist allerdings nur möglich, wenn der Messeauftritt fremdfinanziert wird. Auf der weltweit größten Konsumgütermesse Ambiente in Frankfurt konnte sich TradeAID im Februar 2017 präsentieren, weil die Messeteilnahme vom niederländischen Centre for the Promotion of Imports from developing countries (CBI) finanziert wurde. Wir haben Nicholas auf der Ambiente getroffen und ihm ausgedruckte Fotos für die Flechterinnen überreicht, die wir zwei Monate zuvor von ihnen gemachten hatten. Nicholas freute sich über das Wiedersehen und zeigte sich halbwegs zufrieden mit dem Interesse der Messebesucher an den Bolga-Körben. Wir hoffen sehr, dass die Verkaufszahlen wieder ansteigen. Denn was nützt Adukopoka, Adugpota und den anderen Flechterinnen Ghanas hohes Wirtschaftswachstum, wenn es sie nicht tangiert?
Noch eine kleine Anmerkung zum Schluss: Die Korbflechterinnen gehören dem Volk der Frafra an und haben, wie man auf den Fotos sieht, Narben im Gesicht. Es handelt sich um Stammeszeichen, über die wir in einem gesonderten Blogpost berichten.
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