Unter Wasser: Grenzerfahrungen und bedrohte Meeresschönheiten

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Apnoetauchend haben wir uns rund um Sansibar erstmals mit der Unterwasserwelt unseres Planeten befasst und die faszinierend-farbenprächtige Schönheit der Korallenriffe fotografiert. Konfrontiert wurden wir aber auch mit ausgebleichten Korallen, Korallenfriedhöfen und Müll. Mehr denn je brauchen die Ozeane unseren Schutz. Sie schenken uns jeden zweiten Atemzug, kühlen das Klima und ernähren Millionen von Menschen.

Kaum stand fest, dass wir unsere nächste Multivisionsshow Ostafrika widmen und damit Sansibar besuchen werden, meinte Michael: „Dort müssen wir auf jeden Fall unterwasserfotografieren!“ Meine Anmerkung, dass wir weder Tauchen noch ein Unterwasserfotografie-Equipment besitzen, konterte er prompt: „Das machen wir schnorchelnd und wir besorgen für eine unserer Kameras ein Unterwassergehäuse.“ Auf den Kauf des Unterwassergehäuses folgte der Erwerb von Schnorcheln, Taucherbrillen, Flossen, Sonnenschutz-Ganzkörperanzügen und dann fiel auf einmal das Wort Apnoetauchen.

Beim Apnoetauchen ist ein Tauchgang einen Atemzug lang

Apnoetauchen bedeutet, dass man ohne Geräte taucht und damit für den Tauchgang genau einen Atemzug zur Verfügung hat. Weil wir möglichst tief und möglichst lange tauchen wollten, haben wir mit einer Freediving-App das Luftanhalten geübt. Und um im Wasser nicht ständig gegen die Auftriebskraft ankämpfen zu müssen, nannten wir irgendwann auch noch Bleigurte unser Eigen. Die Bleigewichte bereiteten mir im Vorfeld die größten Sorgen: Schnallt man sich zu viel Schwermetall um die Hüften, droht man unter zu gehen. Ob Berechnung der optimalen Tarierung, app-gesteuertes CO₂-Toleranz-Erhöhungstraining oder Shoppen, die vorbeireitenden Maßnahmen für die Realisierung von Michaels Schnapsidee waren enorm. Aber ich bin dankbar. Uns hat sich eine ganz neue, total faszinierende Welt eröffnet.

Zuerst sahen wir nur knallbunte Meeresbewohner

Ozeane bedecken 70 Prozent der Erde und sie sind ihr artenreichster Lebensraum. Sansibar wird vom Indischen Ozean umspült und es gibt rund um die tansanische Insel mehrere Korallenriffe. Zu diesen ließen wir uns von Fischern schippern, um dann vom Bootsrand ins sansibarische Unterwasserparadies hinabzugleiten. Bei den ersten Tauchgängen hatten wir nur Augen fürs Unverkennbare: Riesige Schwärme gelb-schwarzer Halfterfische, rot-leuchtende Seesterne, farbenfrohe Lippfische, lila schimmernde Riesenmuscheln, jagende Trompeten- und von der Sonne perfekt in Szene gesetzte Fledermausfische.

Nach und nach fielen uns auch maritime Tarnkünstler auf

Mit der Zeit gelang es uns immer besser, unter Wasser den natürlichen Atemreflex zu unterdrücken und mehr Zeit ohne Sauerstoff auszukommen. Wir wurden ruhiger und damit in die Lage versetzt, Details wahrzunehmen: Mit dem Meeresboden verschmelzende Eidechsenfische, fast durchsichtige Hornhechte, sandbedeckte Blaupunktrochen, scheue Koran-Kaiserfische und eine grimmig dreinblickende Weißfleckenmuräne versteckt in ihrer Höhle. Versunken ins Fotografieren stattete uns einmal eine Delfinschule einen Besuch ab. Die Großen Tümmler nahmen uns in ihre Mitte, beäugten uns freundlich und verschwanden dann wieder in den Tiefen des Ozeans.

Korallenriffe beherbergen 25 Prozent aller Meereslebewesen

Neben Delfinen und Fischen haben uns auch die Korallengärten verzaubert: Zierpflanzen gleich schmücken himbeerfarbene Busch-, maigrüne Poren- und pilzartige Lederkorallen den sandigen Boden. Dazwischen ragen Korallen in die Höhe, die die Form riesiger Tische, Dome und Vollmonde haben. In Seeanemonen leben neugierige Clownfische und in stark verzweigten Fingerkorallen tummeln sich kleine Riffbarsche unterschiedlicher Couleur. Besonders viel Freude bereitete es uns, türkisfarbene Papageifische zu beobachten, die mit ihren Schnäbeln Algen von Stein- und Weichkorallen abweiden. Korallenriffe werden auch als Regenwälder der Ozeane bezeichnet, die unzähligen Meeresbewohnern Unterschlupf und Nahrung bieten. Die Farbenpracht gesunder Korallenriffe ist betörend. Von denen gibt es aber nicht mehr viele. Weltweit gelten 70 Prozent aller Korallen als vom Aussterben bedroht oder stark gefährdet! Auch wir haben in Sansibars Unterwasserwelt immer wieder ausgebleichte Korallen bis hin zu tristen Korallenfriedhöfen gesehen. Die Phänomene werden als Korallenbleiche und Korallensterben bezeichnet, deren Hauptursachen die Erwärmung und Versauerung der Ozeane sind.

Die Erwärmung der Ozeane führt zur Korallenbleiche

Ozeane regulieren das Klima und bremsen die Erderwärmung, indem sie einen großen Teil der Wärme aufnehmen, die aufgrund menschengemachter Treibhausgasemissionen entsteht. Der Preis für diesen Dienst ist hoch. Die Wassertemperaturen steigen und bringen so die Weltmeere aus dem Takt: Zum einen werden Fische gezwungen, ihre angestammten Reviere in Küstennähe aufzugeben und in kühlere Gewässer weiter draußen im Meer zu ziehen. Zum anderen kommt es zur Korallenbleiche, weil hohe Wassertemperaturen die Symbiose von Korallen und Algen stören. Korallen brauchen zum Überleben Algen, die auf ihrem Skelett wachsen und sie wie farbige Pflanzen aussehen lassen. Wird die Meerestemperatur zu warm, stoßen die Korallen die Algen ab. Zurück bleibt ihr weißes Kalkgerüst.

Die Versauerung der Ozeane führt zum Korallensterben

Ob Korallen, Muscheln, Seesterne, Krebse oder Seeigel, alle Meeresbewohner, die eine Kalkschale bilden, leiden unter der zunehmenden Versauerung der Ozeane. Neben Wärme nehmen die Weltmeere auch Treibhausgase auf. Weil die Menschheit immer größere Mengen Kohlendioxid ausstößt, erhöht sich die Konzentration des wasserlöslichen Gases in den Ozeanen. Kohlensäure entsteht. Der pH-Wert sinkt. Saures Meerwasser behindert die Kalkbildung und greift bestehende Kalkschalen an, so dass immer mehr Korallen verenden.

Korallenriffe bieten Schutz vor hohen Wellen und sind eine wichtige Einkommensquelle

Sterben die Korallen, verlieren viele Fische ihr Zuhause sowie die Küstenregionen einen wichtigen Schutz vor hohen Wellen, Flutkatastrophen und Erosion. Fischer können ihre Familien mangels Meerestieren in Küstennähe nicht mehr ernähren und der Arbeitsplätze schaffende Tauchtourismus büßt seine Attraktivität ein. Noch sind die Korallenriffe rund um Sansibar in einem verhältnismäßig guten Zustand, so dass die Fischerfamilien bislang überleben und jährlich 500.000 Menschen das Urlaubsparadies besuchen. An den Traumständen des kleinen Archipels gibt es viele Tauchschulen, die PADI Open Water Diver Kurse, Tauchexkursionen und Schnorcheltouren anbieten.

Müll riss uns immer wieder aus unserer Versunkenheit ins Fotografieren

Wir sind abseits der Massen an weniger bekannten Riffen apnoegetaucht und haben das Fotografieren unter Wasser sehr genossen, obwohl Fische in ständiger Bewegung und damit schwierige Fotomotive sind. Vertieft ins Luftanhalten, Bilder machen und Staunen konnten wir völlig abschalten, bis uns immer wieder zivilisationsbedingte Störungen aus unserer Versunkenheit rissen: In Korallen verhedderte Plastiktüten, Lebensmittelverpackungen auf dem Meeresgrund und an der Wasseroberfläche treibende Getränkeflaschen. Neben der Erwärmung und Versauerung der Ozeane ist ihre Vermüllung ein großes Problem. Weltweit landen jährlich mehr als zehn Millionen Tonnen Abfall in den Weltmeeren. Giftstoffe werden freigesetzt, Meeresbewohner verwechseln Plastik mit Nahrung oder verfangen sich im Müll und verenden qualvoll.

Touristen produzieren auf Sansibar 80 Prozent des Mülls

80 Prozent des Mülls, der auf Sansibar entsteht, verursachen die Touristen. Sie trinken Wein, genießen leckeres Essen, verbrauchen Kosmetikartikel und produzieren so ausgedrückte Tuben, gebrauchte Taschentücher, leere Glas- und Plastikflaschen. Täglich sind das etwa 200 Tonnen Müll, von denen nur die Hälfte auf der offiziellen Deponie der Insel entsorgt wird. Der Rest wird entweder verbrannt oder auf informellem Weg irgendwo im Hinterland und im Meer entsorgt. Wie die sansibarische Fair-Handels-Organisation CHAKO aus dem Müll der Touristen Kunsthandwerk macht und gegen die Müllflut kämpft, erzählen wir in einem vorangegangenen Blogpost.

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